Freitag, Juni 05, 2009

出る杭は打たれる

Der Nagel der heraussteht wird reingehämmert...Was dieses beliebte japanische Sprichwort lebensweltlich bedeutet, durfte ich letzte Woche hautnah erfahren. Vorweg möchte ich noch los werden, dass die kleinen Regeln des Alltags einen Aufenthalt in der Fremde meistens erst richtig spannend und exotisch machen. Oft merkt man erst daran, dass man weit, weit weg von zu Hause ist. Auch wenn dies in meinem Fall auch zutrifft, trägt die räumliche Distanz nicht soviel zu diesem Gefühl bei, wie die kulturellen Unterschiede die sich oft auch schon über wenige Kilometer ausbreiten.
Obwohl ich doch ganz umgänglich und nach eigenem Befinden, kulturübergreifend überaus anpassungsfähig bin, habe ich nun zum ersten Mal mit den japanischen Alltagsregeln ernste Probleme bekommen. Dies ist wohl nicht verwunderlich. Die Grenzen der eigenen Anpassungsfähigkeit werden in Japan, durch die Vielzahl der ungewöhnlichen Regeln des Zusammenlebens des öfteren ausgereizt. Oft fühlt man sich versucht, auf den eigenen, gewohnten Verhaltensweisen zu beharren. Doch gerade dieser Versuch birgt so manche Quelle des Frustes, da es oft als ungleicher Kampf beginnt und nur wenig erfolgreich sein wird. Ich will ja auch nicht, wie manch einer hier, ewig fluchen und lästern. Die Japaner sind blöd, machen Dieses schlecht und kapieren Jenes einfach nicht. Nein, ich habe meinen eigenen Weg gefunden, mit diesen Widrigkeiten umzugehen. Geduldig und zurückhaltend, aber bestimmt. Wenn ich was brauche, beharre ich auf meinen Rechten! Ich genieße schließlich auch die Vorzüge dieses Landes, auch wenn die manchmal in den Hintergrund rücken. Auf die Grenzen meiner Toleranz traf ich, wen wundert es, im Unterricht der Sprachschule der Nihon Universität. Der Tathergang:

Mittwoch, zwischen 9:00 und 10:30Uhr. Japanisch Sprachkurs der Nihon Universität. C-Klasse. Auf Aufforderung die Hausaufgaben des Vortags nachzuweisen, erwidert L. mit einem Lächeln: „Es tut mir Leid Herr Lehrer, aber die hab ich wohl vergessen!“ Da er bereits der zweite Schüler ohne Hausaufgaben ist, lachen die Mitschüler, nicht unbeeinflusst durch L's. äuffallig lässiges Verhalten. Sodann fällt Lehrerin O. das silberne Kaugummipapier auf L's Arbeitstisch auf. Auf die Frage, ob L. aktuell ein Kaugummi essen würde erwidert L. knapp „Ja“. Auf das Drängen von Lehrerin O. das Kaugummi wegen des Unterrichts doch im bereitliegenden Silberpapier zu entsorgen, zeigt sich L. uneinsichtig und widersetzt sich dem leichten Druck von Lehrerin O. Die Anmerkung, seine Aussprache und damit seine Teilnahme am Unterricht würden unter der Verwendung des Kaugummis leiden, weist L. zurück, er könne auch mit Kaugummi im Mund gut sprechen. (L. behält das Kaugummi im Mund. Die Situation ist angespannt.) Auf die Frage ob dies in D. (dem Heimatland L's) auch so Usus wäre, erwidert L. dies sei in seinem Land nichts ungewöhnliches. Lehrerin O. begnügt sich mit dieser Antwort und führt den Unterricht weiter. (L. sollte in der Folge keine Vorleseaufgaben mehr übernehmen.)
So hat es sich zugetragen. Ich lasse das unkommentiert. Ähnlichkeiten mit Eintragungen in diversen grün eingebundenen Klassenheften des Städtischen Gymnasiums Übach-Palenberg sind rein zufällig. Eine Ergänzung sei noch angemerkt und zwar die jugendliche Erwiderung auf das oben erwähnte traditionelle Sprichwort: Der Nagel der reingehämmert wird, steht auf der anderen Seite raus.

8 Kommentare:

seppl hat gesagt…

hihi, kommt mir alles sehr bekannt vor. wobei ich mir jetzt nicht sicher bin, ob der mitschüler L. nicht in wirklichkeit J. heißt, aber das sei an dieser stelle lediglich eine vage vermutung. das man sich aber auch immer gegen die obrigkeit auflehnen muss tztzztztzt.

beste grüße
sepp

Saschbert hat gesagt…

... und wenn man den nagel reinhämmert, hält auch das bild nicht mehr. haben die japaner daran mal gedacht?

simon hat gesagt…

"ach was soll der quatsch...ich brauch keine stollenschuhe...ich spiel schon lange genug fußball...was soll das!??!"

hahahahaha..kenn ich irgendwoher!ein gewisser a.h. kennt das auch...hihihihi

Jan hat gesagt…

Ja, hätten die mal 2002 bei der WM in ihrem Land aufgepasst, wäre ihnen aufgefallen, dass sogar der Titan-King-Kahn ständig seinen enormen Unterkiefer zwecks Gummimassage gegen den Oberkiefer drückte.

jo hat gesagt…

Mittwoch, 10.06.2009. 8:55 Uhr: „Frau Lehrerin, ich muss mich bei Ihnen entschuldigen. Dass ich letzte Woche meinen Kaugummi weiter essen wollte tut mir leid. Das war sehr schlecht von mir. In Deutschland kaut man im Unterricht eigentlich auch keinen Kaugummi. Ich bitte Sie das zu entschuldigen.“

Jan hat gesagt…

Und wieder wurde eine kleine Revolution im Keim erstickt.....

simon hat gesagt…

ich bin tief enttäuscht von der rebellischen ader, von der man sich im rhein-main gebiet einstmals am lagerfeuer erzählt hat..

mali hat gesagt…

den zivilen ungehorsam pflegen, immer weiter so!