Mittwoch, August 26, 2009

Mach Neu!

Soooo viel Neues! Da frag ich mich selbst, warum ich mich in einem Nachtrag mit den alten Socken des japanischen Schulalltags beschäftigt habe. Nun, vielleicht weil das meine Perspektive auf Japan ist. Eben mein Alltag. Wenn ihr so wollt eine ehrliche und ausführliche Antwort auf die Frage wie es mir so geht.
Im Moment ist dieser Alltag weit weg. Die Schule pausiert, ich schreibe und forsche fleißig an meiner Diplomarbeit. Freie Zeiteinteilung. Heut mal in die Bibliothek, morgen zur Sprechstunde meiner Professorin. Dann mal ein Tag Pause, raus aus der Stadt. Dann zwei Tage schreiben... So wie man das als Student machen kann. So wie ich das auch mag, auch wenn man permanent Arbeit im Nacken hat. Unter diesen Bedingungen eine gute Work-Life Balance zu finden, damit hatte ich ja noch nie so wirklich Probleme. Ist schon cool wenn man sich morgens nicht in die Bahn quetschen muss. Dazu kommt dass ich mich mein Thema motiviert und ich hier schon tolle Möglichkeiten habe, dazu etwas herauszufinden. Auch wenn es besser sein könnte, mit den Bibliotheken, dem Zugang zu Daten etc. Da zeigt sich wieder der Wahnsinn des japanischen Alltags. Die Bib von meinem Fachbereich Wirtschaft hat so gut wie gar keine Literatur für mich. Um in andere Uni-Bibliotheken zu kommen, brauche ich eine Einladung die diese Bibliothek auf Anfrage meiner Hausbibliothek ausspricht. Jeweils für einen Tag! Und wenn beide Bibs in verschiedenen Stadtteilen liegen kann man sich ausmalen was dass bedeutet. Da sind in Deutschland schon paradiesische Zustände. Es lässt sich aber alles planen wenn man die Zeit mitbringt. Und die habe ich ja. Und so geht es mit meiner Arbeit voran.
Viel Zeit hatten auch meine beiden Cousins, Maja und Dani mitgebracht. Insgesamt einen Monat haben sie sich genommen um das Land zu bereisen. Insgesamt zwei mal waren die beiden in Tokio und ich natürlich mit ihnen unterwegs. Das hat mich dann dem Diplomarbeitsalltag entrissen, und vor allem meine bisweilen negative Haltung zu Land und Leuten um eine frische Perspektive erweitert. Aufgefrischt sozusagen, denn ganz so neu war das alles nicht. Was genau, das erzählt der Ablauf des ersten Tages mit den beiden. Ein Tagesablauf nach Maß:
Start im Government Tower, Shinjuku. In 333 Metern Höhe den Überblick über die Stadt, meinen Lebensraum wiedergefunden. Wieder unten, ab nach Harajuku. Shopping auf der Omotesando. Pause in einem Künstlerkaffee (Café Na). Blick auf eine Straßenkreuzung, beobachten der Passanten. Analyse der Mode Tokios, Kreativitäts- und Individualitätswahn. Unterhaltung über Tokio und Japan.


Weiter nach Shibuya.


Haarschnitt für Dani - zu meinem und Majas Vergnügen. Abendessen im Izakaya. Edamameee!


Danach in die Nonbei yokochou, die Straße direkt am Bahndamm der Yamanote, mit einer Vielzahl kleiner, eng gedrungener Kneipen (siehe Eintrag vom 26. April). Dort gleich mit Barkeeper und Gästen ins Gespräch gekommen. Über das Reisen. Deutschland und Japan, Tokio und die Menschen, bei Tag und bei Nacht. Über Essen und Trinken. Über Liebe und Heirat. Über alles eben. Und das bei vorzüglich gemixten Getränken. Hier konnten wir uns anfreunden mit Oda-san und Miho-san. Einem nur auf den ersten Blick ungleichen Duo.


Ooda-san lud uns in eine seiner Bars in Shinjuku ein, wo wir einige Tage später vorzüglich essen, und weitere Treffen mit Miho planen konnten.
Insgesamt habe ich mit Maja und Dani eine tolle Zeit hier gehabt. Ihr Urlaub, war auch der meine. Gemeinsam hatten wir einzigartige Erlebnisse. Ich konnte vieles von meinem persönlichen Tokio zeigen und mitteilen. Und die beiden konnten durch ihre frische Perspektive meine eingerostete Begeisterung für diese Stadt wiederbeleben. Speziell der beschriebene erste Tag mit den beiden gibt das wieder und war deswegen für mich auch so besonders. Wir haben uns einfach treiben lassen und alles genau richtig gemacht. Ich konnte meine wenigen Insider-Kenntnisse perfekt ausspielen, was für jeden Reisenden bekanntlich unbezahlbar ist. Zu unser aller Freude. Insgesamt also ein perfekter Tag. Ein Tag wie ich ihn in meinem bisherigen Aufenthalt noch nicht hatte. Wenn ich mich manchmal frage, warum ich überhaupt noch einmal nach Tokio gekommen bin, an diesem Tag konnte ich die Gründe finden. Gründe? Vielleicht doch eher massig Beispiele, warum Japan/Tokio Spass macht und doch lebenswert ist. Ich werde versuchen es zu bewahren.

Bleibt mir noch eine kurze Vorschau auf zwei Dinge:
Mein japanisches Sommerwochenende nach Maß, mit Schreinfest in Koiwa und der Besteigung des Fuji. Sowie meine Reise nach Thailand die mich ganz aktuell, gleich geht’s in den Flieger, mit Vorfreude erfüllt. Sollte nicht schwer werden Beispiele zu finden, warum Asien Spass macht und doch lebenswert ist ;-) Ich werde berichten!

alle Bilder: © Daniel Feldrappe

Donnerstag, August 13, 2009

Nachtrag. Zusammenfassung. Ambivalenzen. Eine Metapher.

Von 200907_Tokio

Sitze derzeit fleißig an meiner Diplomarbeit. In too deep, wie das Foto zeigt. Fette Schwärze auch zwischen den Zeilen. So sieht das manchmal aus.
Schulde dem Blog Aktualität, nicht zu knapp. Poste nun erstmal einen Nachtrag, bevor ich mich an die Auswahl der Fotos und einen Bericht zum Besuch von Maja und Dani mache.

Seid April bin ich nun schon wieder hier. Die Sprachkurse sind vorbei, viele ziehen zurück in ihre Heimat, nach Deutschland, die USA, Thailand, Frankreich und wohin auch immer.
Zeit für mich ein bisschen zusammenzufassen was hier so passiert ist in den vergangenen Monaten.
Meine Klasse war schon besonders lustig. Jeder war mit der nötigen Konzentration und Motivation beim Lernen, aber eben auch ohne den Spass aus den Augen zu verlieren. So gab es dann regelmäßig Treffen und Parties auf denen oft auch bis in den frühen Morgen rein gefeiert wurde. Unvergessen das Okinawa-Izakaya mit anschliessender Fotosession vor der Glitzerkulisse Shinjukus, das Barbecue im Grünen und der anschließende Strandbesuch. Die spontane Montagsparty mit zu viel von dem koreanischem Billigsake etc. Diese bisweilen heftigen Parties der C-Class und den japanischen Volunteers waren oft der verdiente Lohn der oft stressigen Woche in der Sprachschule mit jeder Menge Tests, Hausaufgaben etc. Meinen Vorsatz am Wochenende fleißig und gewissenhaft an meiner Diplomarbeit zu basteln konnte ich nur unter Berücksichtigung dieser notwendigen Feieraktivitäten einlösen. Es gibt nur sieben Tage die Woche ohne Zeit zum Verschnaufen geht’s nicht. Soviel hab ich dann doch gemerkt. Notwendig war es eben oft, einfach mal die Sachen ruhen zu lassen und die Hektik und den Frust des Alltags als Gaijin (wörtlich Fremder) in der oft wenig toleranten japanischen Gesellschaft bei ein paar Bier sacken zu lassen. Mein deutscher Kollege Eicke der nun leider hier die Segel streicht und nach Berlin zurückfliegt war da oftmals der richtige Gesprächspartner. Mal sehn wie ich das ab jetzt hinbekomme, denn Stress, Hektik und der Kulturshock bleiben hier.
Oft ist es doch eine Art Hassliebe die mein Verhältnis zu dem Land und seinen Leuten am ehesten beschreibt. Vielleicht wird das im Folgenden klarer:
Pendlerzug und tote Gesichter am Morgen. 35 Grad und fiese Schwüle. Lärm und Gedränge am Bahnhof. Gesellschaftliche Zustände die nur schwer nachzuvollziehen sind z.B. Bahnangestellte die während des Pendelverkehrs Kaugummi vom Boden kratzen, eine Verkäuferin die einer Maschine gleich die Kundenwünsche abwickelt und der die Traurigkeit aus dem Gesicht springt. Da staut sich dann oft was auf, was nur schwer zu verarbeiten ist. Oft entlädt sich alles in einem Pauschalurteil: Alle verrückt! Hier läuft alles verkehrt. Bloß schnell weg.
Das totale Gegenteil dann wenn man sich mit interessanten Leuten trifft. Man lässt es locker angehen. Die Atmosphäre ist gelassen. Freundliche Gesichter. Ich lache mit den Japanern. Ich lache über die Japaner. Genieße die Gastlichkeit dieses Landes und das gute Essen. Trinke was. Rede über alles mögliche mit Leuten aus aller Welt. Das Leben ist schön und wir feiern das Leben und uns selbst. Irgendwie geht das hier schnell und problemlos. Den Alltag auszublenden, dass ist hier einfach, und ist auch das was Japaner wollen in ihrer Freizeit. Irgendwie wirken die Menschen dann wie ausgetauscht und alles ist locker und entspannt, freundlich und unverbindlich. Man kann sich treiben lassen und die freien Stunden in der leuchtenden Weltstadt geniessen. Es geht schon wieder früh genug in die harte Realität zurück. Bis dahin ist Spass verordnet.
Offensichtlich geht das nicht nur mir so. Scheinbar ist das ein Prinzip nach dem die Stadt hier funktioniert. Der Organismus Tokio. Die Züge, U-Bahnen und Straßen sind die Nervenbahnen. Die großen zentralen Bahnhöfe die Knotenpunkte, wo alles zusammenläuft. Hier kann man erfahren in welcher Stimmung, in welcher Verfassung der Organismus ist. Hier kann man es beobachten in den Gesichtern der Menschen. Ob fröhlich und farbenfroh in der 19 Uhr Bahn nach Shinjuku oder grau vergrämt im morgendlichen Pendlerzug aus Chiba. Der Organismus, die Stadt funktioniert. Die Menschen brauchen die Stadt und die Stadt braucht die Menschen. Mal grau und mal bunt. Alles passt, ist aufeinander abgestimmt. Der Mensch als Rädchen im Getriebe. Die Funktionen des Organismus, die Unterordnung des Menschen unter diese Imperative. Diese Fiktion mutet hier schon sehr real an. Bloß denkt man da nicht drüber nach wenn man im täglichen Trott zur Arbeit oder zur Schule und zurück pendelt. Als Teil des Systems fehlt die distanzierte Perspektive, die Obenaufsicht. Entsprechend orientieren sich alle Bedürfnisse erst einmal an den unmittelbaren Gegebenheiten. Der Sitzplatz in der Bahn zählt dann mehr als ein Überdenken der großen Zusammenhänge. Ohne Aussicht auf Änderung, die Uhrzeit im Blick.