Donnerstag, Dezember 08, 2011

Der Calcio Sonntag


Fußball in Italien – Nach glorreichen Zeiten in den 90er Jahren, in denen sich auch diverse deutsche Stars in der Serie A tummelten und la dolce vita genossen, geht es in der Bèletage des italiensichen Fußballs aktuell ziemlich trist zu. Marode Stadien, Zuschauerschwund und Korruptionsskandale. Dazu die Dominanz drei, vier großer Vereine unter denen jährlich die Meisterschaft ausgemacht wird. Aktuell fällt es schwer, dem italienischen Fußball viel abzugewinnen. Allerdings nur aus der Entfernung. Denn aus der Nähe betrachtet, zeigt sich die ganze Begeisterung und Leidenschaft, mit der sich die Menschen dem Calcio widmen. Ob als glühende Fans, nüchterne Betrachter, Lokalpatrioten oder als Amateur-Spieler. Fußball in Italien ist groß, füllt tagesaktuelle Sportzeitungen und dominiert die Gespräche von morgens bis abends. Der Calcio ist das Salz in der Suppe italienischer Sozialbeziehungen und nichts wird mit so viel Hingabe diskutiert wie die Ereignisse in der Serie A (siehe auch den hervorragenden Blogeintrag über la moviola, die Zeitlupe. Auch auf die Gefahr hin dem Klischee des diskussionsfreudigen Italieners zu erliegen: Wenn ich die italienischen Hobby-Kicker auf dem Nebenplatz unseres wöchentlichen Trainingskicks beobachte, finde ich da immer die ganze Bandbreite der italienischen Serie A Trikots. Vielleicht ist das ja auch so, weil man als Fan konkurrierender Mannschaften mehr diskutieren kann. Na ja. Ist wohl sehr klischeehaft das Ganze.
Laut und lebhaft ging es jedenfalls auch zu, beim Spiel des SC Bosa gegen die Mannschaft aus Siniscola in der Prima Categoria (wohl die dritte von sechs regionalen Ligen in Sardinien). So laut, dass der eigentlich vorgesehene Besuch des Castello Malaspina, eine der Sehenswürdigkeiten Bosas aus dem 12. Jahrhundert, sich ganz italienisch dem Calcio unterordnen musste. Bereits auf dem Weg zum Castello, drangen eindeutige Geräusche eines Amateur-Fußballspiels an mein Ohr – mit dem Resultat, dass ein Sonntagnachmittag unseres Sardinienurlaubs auf dem Fußballplatz verbracht wurde. Einem sehr schön gelegenen, 1a-Kunstrasenplatz. Übrigens mit Blick auf das Castello. Keine Diskussion: die Kultur eines Landes erschließt sich am besten dort, wo die Einheimischen sind. Und was hat mehr Lokalkolorit als Amateurfußball. Und so war das dann auch ein erfrischender Einblick in die Basis des italienischen Fußballs: Schöne Tore, feine Dribblings, harte Grätschen und viel Theatralik um Schiedsrichterentscheidungen. Besonders die wild gestikulierenden und stimmgewaltigen Zuschauer hatten es uns angetan. Bemerkenswert: Statt beim späten Ausgleich durch die Gäste aus Siniscola, die Unzulänglichkeit der eigenen Mannschaft zu beklagen, wurden die jubelnden Gäste aufs übelste beschimpft. Lauter als nach Gegentreffern war es das ganze Spiel nicht – was nicht am Jubeln lag. Am Ende stand ein leistungsgerechtes 2-2. Wirklich zufrieden waren damit wohl nur wir, als objektive Beobachter. Schließlich konnten wir nach dieser alltagskulturellen Erfahrung anschließend ganz touristisch die Freuden eines Sardinienurlaubs genießen: Einen Sonnenuntergang am Strand, ein wunderbares Abendessen mit frischer Pasta und die unverwechselbare Abendatmosphäre in einem der schönsten Dörfer Italiens. Und das Castello haben wir artig am nächsten Tag besucht… 

Das Mekka des Fußballs in Bosa. Wunderbar gelegen mit Blick auf das Castello


Mit viel Leidenschaft, Lautstärke und blau-rotem Herzen: Die Fans des SC Bosa.


Finstere Gestalten mit Logenplätzen. Kennt man ja aus der Serie A.


Ein Krampf? In der 60. Minute?...


...die Bank von Siniscola kennt die Antwort bestimmt...


...und schickt einen unehelichen Bruder von Antonio Cassano zum Aufwärmen.

Alle Bilder © LP - Professional Pics
















Samstag, Januar 15, 2011

Allein unter Berbern - Trekking im hohen Atlas

Nach zwei Tagen in Marrakesch, dieser ebenso exotischen wie chaotischen Stadt, wollte ich für meine knapp bemessene Zeit in Marokko eine Wanderung durch das Atlasgebirge organisieren. Dies lief äußerst problemlos ab. Auf Nachfrage konnte mir die Inhaberin meines Riads die Telefonnummer von Jamal geben, der Wanderungen, Mountainbike-Touren und verschiedene Aktivitäten im Atlasgebirge anbietet. Nach einem kurzen Telefonat stand Jamal dann auch bereits im Marrakesch parat um mit mir persönlich die Details der Tour abzusprechen. Drei Tage sollte es durch drei verschiedene Täler des Toubkal-Nationalparks gehen, mit zwei Übernachtungen in Berber-Dörfern. Ich war begeistert, hatte ich doch eigentlich nur damit gerechnet eine zweitägige Tour machen zu können. Rasch hatte ich meine Sachen gepackt, da ich tags drauf in aller Frühe nach Imlil, dem Bergsteiger-Zentrum des südlichen Marokkos aufbrechen musste. Imlil liegt in 1740 Metern Höhe direkt am Djebel Toubkal, dem mit 4165 Metern höchsten Berg in Nordafrika.
Dort angekommen, warteten auf mich bereits Mohammed-Ali, der Trekking-Guide, sowie Mohammed, Maultier-Treiber und Koch in Personalunion. Diese beiden sollten mich in den kommenden drei Tagen durch das Gebirge begleiten. Nachdem meine Sachen in die Taschen am namenlosen Maultier (Tiere bekommen dort keine Namen) gepackt wurden ging es auch schon an den ersten Aufstieg. Ziel für den ersten Tag, war das Dorf Ikiss, welches über einen Pass in 2300 Meter (Tizi n' Tamatarte) erreicht werden konnte. Unter knallblauem Himmel ging es bei ganz angenehmen Temperaturen durch Pinien-Haine auf einem recht einfach zu begehendem Maultier-Pfad in Richtung Pass. Bereits nach kurzer Zeit war ich von der Atmosphäre begeistert: die Stille, die frische, nach Pinien duftende Luft, und das überwältigende Panorama des Atlas-Gebirges. Mit jedem Schritt wurde ich mehr von dieser Atmosphäre absorbiert und verabschiedete mich für die kommenden Tage in die Abgeschiedenheit der Berge.


Der erste Pass bot einen Anblick in ein fruchtbares Tal, in dem neben Ikiss noch weitere Berber-Dörfer gelegen sind. Nach einer kurzen Rast in der Sandwiches, Madarinen und Minztee für die nötige Energiezufuhr sorgten ging es auch schon weiter. Nach kurzer Zeit kamen die ersten Dörfer in Hör- und Sichtweite. Die Dörfer drängen sich an die teilweise sehr steilen Hänge und heben sich farblich kaum vom Berg ab. Es wirkte fast so, als wären sie natürlicher Teil des Gebirges. Unterhalb der Siedlung schließen sich Terrassen zum Anbau von Getreide an, sowie Felder mit Obst- und Nussbäumen. Letztere bieten im Frühjahr einen wohl noch schöneren Anblick, wenn die Bäume in voller Blüte stehen. Der Anblick dieser Dörfer muss dann wirklich paradiesisch anmuten. Überhaupt scheint die Kultur hier noch recht unberührt von den Segnungen der Zivilisation, sieht man von den Stromleitungen und dem leider vorhandenen Plastikmüll einmal ab. Nach dem Abstieg vom Pass durchquerten wir das erste Dorf. Die Kinder stürmten aus der Schule um am Flussbett zu spielen und Menschen, die mit aller Ruhe der Welt gesegnet sind, grüßten mir freundlich zu. Diesem fruchtbaren Tal folgten wir weiter bis nach Ikiss, einem Berber-Dorf in dem wir unser erstes Nachtlager bezogen. Der unbeheizte Raum, im Hause einer Familie war spärlich ausgestattet, mit Matratzen und mehreren Decken und Kissen. Besonderen Komfort muss man hier zwar nicht erwarten, aber alles ist sauber und die sanitären Anlagen erfüllen die grundlegenden Ansprüche. Nach dem obligatorischen Minztee zur Begrüßung und einer kleinen Siesta konnte ich bis zum Abendessen noch etwas durch das Dorf streifen. Dort spielten die Kinder Fußball und eine Aufforderung zum Mitspielen konnte ich mich natürlich nicht ausschlagen. Wie die Kinder barfuß oder mit Gummi-Sandalen über die Schotterwege rasten und den Plastikball kontrollieren konnten, war schon bemerkenswert und die Freude der Kids am Spiel war überragend. Schließlich wurde die viele Anstrengung des Tages mit einer schmackhaften Tagine und einem sternenklaren Himmel belohnt. Allerdings übermannte mich bald die Müdigkeit und die aufziehende Kälte trieb mich schon bald ins Bett.


Tag zwei Begann früh. Noch bevor die Sonne wieder über den Berg war, brachen wir direkt nach dem Frühstück auf, um an diesem Tage gleich zwei Pässe zu erklimmen. Der erste Aufstieg führte uns von 1900 auf 2050 Meter (Tizi Agouersioual), der zweite von 1500 auf 2219 Meter (Tizi Oudid). Da ich kaum etwas gefrühstückt hatte, war ich auf den letzten Metern rauf zum zweiten Pass völlig entkräftet, aber das umwerfende Panorama, die Farben des tiefblauen Himmels und des orange-roten Berghangs pushten mich immer weiter. Dem Pfad folgend, entlang von Wacholder-Bäumen und Stein-Formationen näherte ich mich in einem fast meditativen Zustand, Schritt für Schritt dem Pass. Auf dem Plateau angekommen, warteten auf mich ein frischer Minztee, meine Schlafmatte zum Ausruhen und ein schmackhaftes Lunch. So konnte ich es mir bequem machen und liegend den tollen Ausblick genießen. Schon bald war ich eingenickt und schlief ebenso wie meine Guides ein bis zwei Stündchen. Wie lange genau, kann ich nicht sagen. Der Schlaf war so erholsam, dass es sich wie fünf Stunden anfühlte. Dieser wunderbare Nachmittag auf dem Hochplateau, mit dem Himmel in greifbarer Nähe und der Stille, die nur vom Gezwitscher der Vögel und dem Wind in den Bäumen gebrochen wurde, war einer der Höhepunkte auf meiner Wanderung.





Nach dem Abstieg übernachteten wir in einer Gîtes d’etâpe. Dort wurde wieder gut gegessen und bei einem Feuerchen Kraft getankt für den letzten Tag.


Dieser sollte uns über einen Pass auf 2400 Meter Höhe (Tizi Mzik) direkt nach Imlil, den Anfangs- und Endpunkt meiner Wanderung führen. Der teils beschwerliche Aufstieg sollte sich wiederrum lohnen, einmal oben bot sich ein wunderbarer Ausblick. Von dort lassen sich die unterschiedlichen Farben der Berge ausmachen. Zudem war man den schneebedeckten Hängen der über 4000 Meter Gipfel des Toubkal-Massivs sehr nah. Auf dem Weg zum Pass überquerten wir Pfade, die im Winter bei Schnee nicht zu begehen sind, mit teilweise atemberaubenden steilen Abhängen und Schluchten.






Als der letzte Pass erklommen und Imlil in Sichtweite kam, zog drängte sich die Zivilisation wieder in mein Bewusstsein. Andere Trekking-Touristen, die ich die ganzen drei Tage nicht gesehen hatte, kämpften sich den Berg hoch. Am Beispiel einer fünfköpfigen Gruppe konnte ich sehen, wie man mit einer besser gefüllten Reisekasse dort wandert. Das Feldlager mit Teppichen und Kissen wartete bereits und zwei Köche waren emsig damit beschäftigt, ein opulentes Lunch zuzubereiten. Wie dem auch sei, ich war vollstens zufrieden mit meiner Wahl. Mein Guide war freundlich, hilfsbereit, um einen Scherz nicht verlegen und zudem in allen Dörfern die wir passierten bekannt. Für einen kleinen Plausch mit den Einwohnern nahm er sich ebenso immer wieder Zeit wie für Erklärungen und Fotos. Diese kurzen Pausen kamen ihm entgegen, denn so konnte er immer wieder ein Zigarettchen rauchen. Das Essen war schmackhaft und ausreichend - es fehlte an nichts. Ebenso habe ich Begleitung nicht wirklich vermisst. Während der Wanderung war ich mir selbst genug. Ich habe es genossen, in dieser einzigartigen Umgebung meine Gedanken schweifen lassen und geistig zur Ruhe zu kommen. Von meinem Mp3 Player gab es ab und an den Soundtrack (v.A. Blur mit Think Tank) dazu und auch wenn es körperlich anstrengend war, so kann ich mich gut erholt und geistig frisch ins Jahr 2011 stürzen.