Dienstag, Mai 05, 2009

An jedem verdammten Wochenende...

geht’s auf den Fußballplätzen dieser Welt zur Sache. Für viele viele Menschen ist dies eine willkommene Abwechslung zum Alltag. Soziologisch erklärbar ist das mit der Abstraktion von als gültig akzeptierten gesellschaftlichen Normen, Strukturen und Hierarchien. Will heißen, beim Fußball ist vieles anders als im echten Leben. Es gibt zwar auch Groß und Klein, Oben und Unten, Reich und Arm aber die Chancen auf Sieg und Erfolg sind keinesfalls so klar verteilt wie sie im alltäglichen Leben sind oder erscheinen. So hat ein kleiner Verein in jedem Spiel die Chance dem Ligakrösus die Meisterschaft verderben. Ein Nachwuchstalent kann den Kritikern auf Tribüne und Trainerbank beweisen dass er es drauf hat und in wenigen Minuten den alten Hasen die Routine und den eitlen Stars die Schau stehlen. Alles erscheint möglich und greifbar. Darüber hinaus kann der Einzelne in den neunzig Minuten eines Spiels ein Farbenspiel der Gefühle und Emotionen erleben, welches sich im alltäglichen Grau nur selten finden lässt. Freude und Ärger, Verbundenheit und Ablehnung, Anbetung und Verachtung wechseln sich innerhalb kürzester Zeit ab und steigern sich bis ins Extrem. Dabei sind Fußballspiele immer kollektive Ereignisse. Man spielt im Kreise der Mannschaft und Betreuer, feuert die Mannschaft im Fanblock an. Die Emotionen dabei erlebt man also immer gemeinsam. Anders als materielle Güter steigern sich Emotionen in Quantität und Qualität wenn man sie teilt. Das macht es so schön wenn man im Stadion, gemeinsam mit den anderen Fans die Mannschaft unterstützt. Und wenn Fans es schaffen, ihre geschlossene und bedingungslose Unterstützung zu demonstrieren und die Spieler so zu Höchstleistung zu motivieren kommt das direkter Einflussnahme schon ziemlich nahe. Zugegeben, diese Möglichkeit scheint vor allem im professionellen Fußball verloren gegangen zu sein. Trotz wiederholter Beteuerung dass sich die „einzigartigen Fans“ den Sieg wegen der „unglaublichen Unterstützung“ mehr als verdient haben, scheint so mancher Profi seine Berufsbezeichnung und die damit verbundene Routine doch allzu sehr verinnerlicht zu haben. Was für die Fans bleibt ist das Gefühl durch ihren Einsatz auf das Spielgeschehen einwirken zu können. Und das Gefühl mit tausenden Gleichgesinnter gemeinsam an etwas Großem teilzuhaben. Die Identifikation mit einem Verein geht dabei weit über die 90 Minuten am Wochenende hinaus. Fußball bestimmt das Denken der Fans (fast) täglich. Besonders ausgeprägt scheint das Zugehörigkeitsgefühl zu einem Verein dort zu sein, wo es in Ermangelung von Abwechslung zum beschwerlichen und eintönigen Alltag schwer fällt sich regional zu identifizieren. Und damit komme ich nach langer Einleitung zu meinem eigentlichen Thema, den Urawa Red Diamonds und ihrem Meisterschaftsspiel gegen Albirex Niigata am vergangenen Samstag. Urawa ist hauptäschlich Schlafstadt (beddotaun) für die unzähligen Menschen die täglich in die Metropole Tokio pendeln um dort zu arbeiten. Urawa hat kein städtisches Zentrum, bloß eine Reihe großer Pendlerbahnhöfe und Wohnkolonien bespickt mit Einkaufsmalls und Vergnügungszentren. In Urawa ist also nicht viel los. Ablenkung bietet der Fußball und das schon seit den Fünfzigern. Als ehemalige Mitsubishi Betriebssportgruppe kann der Klub mehr Tradition aufweisen als seine Mitstreiter in der J-League, die erst in den Neunzigern gegründet wurde. Die Neunziger waren auch die Zeit von Altstars wie Uwe Bein und Guido Buchwald. Buchwald sollte die Reds 2006 dann als Trainer zum ersten J-League Titel führen. Davor gab es einen Abstieg zu verdauen, der in der Rückschau allerdings das wahre Potential des Vereins offenbarte. Die große und unheimlich treue Fangemeinde! Denn, trotz zweiter Liga verzeichnete Urawa den höchsten Zuschauerschnitt im japanischen Profifußball. Es scheint diese Mischung aus Tradition und regionaler Verwurzelung zu sein die die Massen in der ganzen Präfektur Saitama mobilisiert. Die Fans sind also Weltklasse und meine Eindrücke bestätigen dies.
Zum Spiel: Es war die erwartet enge Partie des Zweiten gegen den Dritten der J-League. Wirklich überzeugen konnte keine der Mannschaften. Auf beiden Seiten gab es viele Fehlpässe und individuelle Fehler. Nennenswerte Torchancen blieben Mangelware und so plätscherte das Spiel vor sich hin. Es schien lange so, als ob die Mannschaft aus Niigata trotz Unterzahl einen Punkt aus dem WM Stadion von 2002 würde entführen können. Dann aber schlug die Stunde des Brasilo-Japaners Marcos Tulio Tanaka. Der verlässliche Abwehrrecke in den Reihen des Teams vom deutschen Trainer Volker Finke konnte nach einer guten Flanke zum finalen 1-0 einköpfen. Die Schlussoffensive hatte sich gelohnt. Riesenjubel im weiten Rund. Kurz danach war Schluss. Urawa konnte einen wichtigen Dreier verbuchen und damit den Spizenreiter, die Kashima Antlers, im Kampf um die Meisterschaft auf Sichtweite halten. Sodann konnten die Fans, die über die volle Distanz immer lautstark präsent waren, zum geliebten Zeremoniell übergehen. Jedes mal nach Spielende wird die Hymne 'We are Diamonds' zur Melodie von 'I am sailing' gesungen. Wie gesagt, die Treue zu den Reds geht lang über das Spielende hinaus. Bilder und Videos:

Deutsche Fankultur scheint hier hoch im Kurs zu stehen.

Warm-up Phase vor dem Spiel...alles wartet auf Impulse von den Capos.

Dieser Ball sollte später zum 1-0 im Netz zappeln. Die Erlösung kurz vor dem...

Abpfiff! Riesenjubel, standing ovations für die Mannschaft und zu guter letzt, die Hymne:

3 Kommentare:

simon hat gesagt…

soziologischer exkurs zu unserem liebsten kind: dem fussball!danke dafür! an hand des leuchtend roten banners lässt sich doch auch 64 jahre nach ende der deutsch-japanischen waffenbruderschaft eine gewisse affinität zueinander herauslesen! erstaunlich!vielleicht aber auch nur eine reminiszenz an oberstudienrat finke a.d.! eine frage noch: lässt finkes volker auch in japan nur studenten und maoisten spielen wie damals in freiburg?!hmmm...eine überlegung wärs wert....

seppl hat gesagt…

oh welch theoretische abhandlung an einem praktischen objekt veranschaulicht. gibt ne 2.0. dies liegt aber insbesondere daran, dass du dich dabei in deiner gesinnung an den zusammengewürfelten söldnerhaufen der kölner besinnst. mhhh egal. mal sehen was der fck jetzt ohne trainer macht. oh mann! weltklasse verein!

Anonym hat gesagt…

1-2-3 was macht das schon ist doch einerlei...