Sonntag, April 26, 2009

Thank god, it's friday!

Machen wir mal chronologisch weiter. Nicht nur der Vollständigkeit halber. Freitags ging's dann zu einer Veranstaltung meiner Mentorin und Betreuerin, Professorin Ogasawara, zum Thema 'Women and work in Japan'. Dabei geht es um die Situation und Möglichkeiten von Frauen auf dem japanischen Arbeitsmarkt. Diese beschränken sich vor allem darauf als 'Office Lady' mit kopieren und Tee kochen betraut zu werden. Der Gipfel der Karriere ist es dann, als persönliche Sekretärin den Männern in Spitzenpositionen in Wirtschaft und Verwaltung zu dienen, um irgendwann vielleicht auch Kaffee kochen zu dürfen. Sehr einseitig also. Frau Ogasawara wählte eine anderen Weg. Gepriesen mit zweisprachiger Erziehung (Englisch und Japanisch) konnte sie in einer Internationalen Beratungsfirma anheuern, um sich dann als Fernstudentin für Soziologie an der Universität Chicago einzuschreiben (ohne wirklich zu wissen was Soziologie ist – kommt mir bekannt vor...) Ihre Dissertation schrieb sie an verschiedenen Orten in den USA, den Niederlanden und England fertig, da sie als Frau eines Außenmitarbeiters oft umziehen musste. Schließlich lebt sie mit ihrem Mann und zwei Kindern permanent in Tokio und hat seit ein paar Jahren eine Stelle als Professorin am College of Economics der Nihon-Universität. Die Frau hat also eine beeindruckende Vita, die völlig von der normalen Karriere abweicht die Frauen in Japan anstreben können. Wer würde sich da besser eignen um in einem Seminar diese Situation von soziologischer Perspektive zu beleuchten und zu diskutieren. Und wer könnte mich besser bei meiner sicher ganz hervorragenden Arbeit betreuen. Es kann gearbeitet werden.
Da aber erstmal das Wochenende anstand verschob ich die Erarbeitung eines Exposés für meine Professorin auf später und begab mich nach Shinjuku um mich mit Natsuko einer guten Freunding um einige Sachen zu kümmern. Da stand vor allem der Erwerb eines Handys auf dem Programm, was sich als sehr schwierig erwies. Offenbar werden Prepaid-Handys nicht mehr wie herkömmlich angeboten. Weder in Shinjuku, noch in Shibuya oder Harajuku war ein solches Ding aufzutreiben. Die Nachricht des höflichen Bedauerns der adretten Verkäuferinnen war ebenso definitiv wie die eines barschen „Hammer hier net“ eines Mediamarkt Mitarbeiters irgendwo in Mainz-Hechtsheim. Zum kotzen! Ein Leben ohne Handy. Fühlte mich an Filme und Bücher aus der Pre-Handy Zeit erinnert, wo die Leute bei einem Telefonat immer verabreden mussten wie und wo sie später erneut telefonieren oder erreichbar sein würden. Eine organisatorische Aufgabe die man selbst wohl hinbekommt. Mitmenschen die über ein Handy verfügen, machen das allerdings nur ungern mit. Sie selbst sind ja schließlich flexibel und immer erreichbar und wollen dies auch sein. So verlieren Verabredungen ihre sichere Gültigkeit und festgelegte Termine werden bis zum letzten Telefonat verschoben. Also her mit dem Teil, ohne geht schließlich nicht!
Der Freitagabend sollte dann in einer kleinen Bar in Shibuya ausklingen. In der のんべいよこちょう(nonbei yokochou) direkt neben den Bahngleisen, reihen sich etwa 7m² große und nur wenige, vielleicht 8-10 Gäste fassende, schmale Bars aneinander. Der Name ist etwa als kleine Kneipenstrasse zu verstehen. Die Läden dort sind so ganz anders als die Hochhäuser in den Vergnügungsvierteln, die sonst das Ziel geselliger Runden sind. Meist geht man dann in ein Izakaya, isst und trinkt nicht schlecht, aber alles hat den Schein von Systemgastronomie. Ob man in Shibuya oder Shinjuku, Hokkaido oder Honshû dorthin geht, macht keinen wirklichen unterschied. Nicht so die kleinen Kneipen und Yakitori-Grills, die sich meist in Bahnhofsnähe befinden und wenig komfortabel sind (externe Toiletten) aber einen eigenen Charme haben und meist vom Inhaber betrieben werden. Natsuko kannte einen dieser Läden und wir verbrachten einige Stunden dort, wobei ich als westlicher Gast doch eher eine Ausnahme war. Entsprechend wurde ich von den Gästen zunächst einmal kritisch begutachtet und ausgefragt. Als sie sich an mich gewöhnt hatten, wendeten sie sich ihren eigenen Themen zu, wobei es dann doch auch sehr persönlich und vertraut zuging. Natsuko meinte das wäre normal für solche Läden. In deutschen Kneipen habe ich es noch allerdings noch nicht erlebt, dass z.B. eine 30jährige Frau sich mit den Gästen darüber unterhält warum seit ihrem letzten Partner schon mehr als drei Jahre vergangen sind oder warum die sexuelle Aktivität der Japaner im allgemeinen weniger wird. Die räumlich Enge dieser kleinen Kneipe schien eine so vertraute Atmosphäre zu schaffen, dass jeder bereitwillig und ohne die sonst so charakteristische Zurückhaltung und Scham an den Gesprächen teilnahm. Ergebnis der Diskussionen war ein reger Austausch von Visitenkarten und Telefonnummern. Die Einsamkeit der 30jährigen Frau nahm der Wirt zur Chefsache und versprach sie mit einigen Bekannten bekannt zu machen, die interessanter sein sollten als ihre bisherigen Dates (Typ Anzug tragender Salaryman). So konnte ich einen Abend lang an dieser interessanten Runde teilnehmen, meine des Japanischen noch allzu ungeschulten Ohren spitzen und zuhören was die Leute so zu erzählen hatten. Unbezahlbare Erfahrungen!
Am Ende dieses langen Tages fiel ich halbtot ins Bett. Der Rest des Wochenendes konnte ruhiger werden...

Einige Fotos aus der のんべいよこちょう. Charakteristisch sind die rot leuchtenden Lampen, sowie die Trauerweiden jenseits der Gleise. Nachts, wenn die Züge Ruhe geben, wird’s hier interessant.





6 Kommentare:

simon hat gesagt…

ahoi!
die karriereaussichten japanischer frauen sind ja schier grenzenlos-sehr interessant! fühle mich da an einen interessanten satz erinnert:"kochste jetzt kaffee oder kannste das auch nicht..?!" aber lassen wir das!
die intimen gespräche der kneipengäste sind aber auch hier nicht vollständig unbekannt...siehe kneipentour.

übrigens: das 3-3 war im endeffekt total glücklich-wenn auch nicht unverdient-da wir bis zur 90.min noch mit 3-1 zurücklagen!

Martin hat gesagt…

sag mal, ist die beschäftigung mit dem thema "sexleben 30jähriger japanerinnen" jetzt beruflich motiviert? frag doch mal bei deiner mentorin nach, die hat doch auch schon verschiedene kulturkreise durchlaufen ... da könnte man doch eine arbeit drüber schreiben!!!

wenn du dann noch empirisch schreiben willst kommt dir vielleicht der simon zu hilfe!

jo hat gesagt…

feldforschung mit teilnehmender beobachtung durch herrn simon feldkamp...zu diesem thema? die validität jeglicher ergebnisse darf arg bezweifelt werden.

Ethnograf a.D. hat gesagt…

vor der reAKTIVITAET der feldkampschen messinstrumente kann man da nur warnen

simon aka osram-jupp hat gesagt…

jaja...spottet ihr nur!macht euch um die validität und vor allem reaktivität meiner person mal keine gedanken-das würde euer mäusehirn eh nicht verarbeiten können, ihr flaschen!
wollte den schön-beleidigenden stil, den man aus anderen foren kennt hier eigentlich nicht platzieren, aber muss wohl sein! friede sei mit euch und:
VALIDE GLÜCKWÜNSCHE AN DICH, JONAS!

Jan hat gesagt…

Hey Jo,

der Zeitraum war klar nur beim genauen Tag haperts. Also, herzliche Glückwünsche auch von S. und mir. Freu mich auf weitere Berichte.

Grüße vom Kotti

Jan