Fußball in Italien – Nach glorreichen Zeiten in den 90er
Jahren, in denen sich auch diverse deutsche Stars in der Serie A tummelten und
la dolce vita genossen, geht es in der
Bèletage des italiensichen Fußballs aktuell ziemlich trist zu. Marode Stadien,
Zuschauerschwund und Korruptionsskandale. Dazu die Dominanz drei, vier großer Vereine unter
denen jährlich die Meisterschaft ausgemacht wird. Aktuell fällt es schwer, dem
italienischen Fußball viel abzugewinnen. Allerdings nur aus der Entfernung.
Denn aus der Nähe betrachtet, zeigt sich die ganze Begeisterung und Leidenschaft,
mit der sich die Menschen dem Calcio widmen. Ob als glühende Fans, nüchterne
Betrachter, Lokalpatrioten oder als Amateur-Spieler. Fußball in Italien ist groß,
füllt tagesaktuelle Sportzeitungen und dominiert die Gespräche von morgens bis
abends. Der Calcio ist das Salz in der Suppe italienischer Sozialbeziehungen und
nichts wird mit so viel Hingabe diskutiert wie die Ereignisse in der Serie A
(siehe auch den hervorragenden Blogeintrag über
la moviola, die Zeitlupe.
Auch auf die Gefahr hin dem Klischee des diskussionsfreudigen Italieners zu
erliegen: Wenn ich die italienischen Hobby-Kicker auf dem Nebenplatz unseres
wöchentlichen Trainingskicks beobachte, finde ich da immer die ganze Bandbreite
der italienischen Serie A Trikots. Vielleicht ist das ja auch so, weil man als
Fan konkurrierender Mannschaften mehr diskutieren kann. Na ja. Ist wohl sehr
klischeehaft das Ganze.
Laut und lebhaft ging es jedenfalls auch zu, beim Spiel des SC Bosa
gegen die Mannschaft aus Siniscola in der
Prima Categoria (wohl die dritte von
sechs regionalen Ligen in Sardinien).
So laut, dass der eigentlich vorgesehene Besuch des Castello Malaspina, eine
der Sehenswürdigkeiten Bosas aus dem 12. Jahrhundert, sich ganz italienisch dem
Calcio unterordnen musste. Bereits auf dem Weg zum Castello, drangen eindeutige
Geräusche eines Amateur-Fußballspiels an mein Ohr – mit dem Resultat, dass ein Sonntagnachmittag unseres Sardinienurlaubs auf dem Fußballplatz verbracht wurde. Einem sehr schön
gelegenen, 1a-Kunstrasenplatz. Übrigens mit Blick auf das Castello. Keine
Diskussion: die Kultur eines Landes erschließt sich am besten dort, wo die
Einheimischen sind. Und was hat mehr Lokalkolorit als Amateurfußball. Und so
war das dann auch ein erfrischender Einblick in die Basis des italienischen
Fußballs: Schöne Tore, feine Dribblings, harte Grätschen und viel Theatralik um
Schiedsrichterentscheidungen. Besonders die wild gestikulierenden und
stimmgewaltigen Zuschauer hatten es uns angetan. Bemerkenswert: Statt beim
späten Ausgleich durch die Gäste aus Siniscola, die Unzulänglichkeit der
eigenen Mannschaft zu beklagen, wurden die jubelnden Gäste aufs übelste
beschimpft. Lauter als nach Gegentreffern war es das ganze Spiel nicht – was
nicht am Jubeln lag. Am Ende stand ein leistungsgerechtes 2-2. Wirklich
zufrieden waren damit wohl nur wir, als objektive Beobachter. Schließlich konnten
wir nach dieser alltagskulturellen Erfahrung anschließend ganz touristisch die
Freuden eines Sardinienurlaubs genießen: Einen Sonnenuntergang am Strand, ein wunderbares
Abendessen mit frischer Pasta und die unverwechselbare Abendatmosphäre in einem
der schönsten Dörfer Italiens. Und das Castello haben wir artig am nächsten Tag
besucht…
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Das Mekka des Fußballs in Bosa. Wunderbar gelegen mit Blick auf das Castello
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Mit viel Leidenschaft, Lautstärke und blau-rotem Herzen: Die Fans des SC Bosa.
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Finstere Gestalten mit Logenplätzen. Kennt man ja aus der Serie A.
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Ein Krampf? In der 60. Minute?...
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...die Bank von Siniscola kennt die Antwort bestimmt...
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...und schickt einen unehelichen Bruder von Antonio Cassano zum Aufwärmen.
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